3 Gründe, warum dein Kind beißt
Kinder die anderen Kindern weh tun sind besonders schwer auszuhalten. Und „beißen“ ist meiner Erfahrung nach für uns alle besonders belastend. Denn es wird nicht nur der individuelle Schutzraum verletzt, sondern sogar die tatsächliche Körperhülle, die Haut.
Zum einen ist es schwer auszuhalten, weil es uns selbst schmerzt zu sehen, dass ein Kind verletzt wird. Zum anderen fühlen wir uns als Eltern natürlich verantwortlich dafür, dass sich unser Kind rücksichtsvoll verhält. Müssen uns entschuldigen bei den Eltern des gebissenen Kindes und eine Erklärung dafür finden, dass wir es nicht verhindern konnten.
Dabei wissen wir alle, dass es sooo schnell gehen kann. Selbst wenn wir daneben stehen, sind wir manchmal fast zu langsam.
Was also tun? Wie könnt ihr mit Kindern, die beißen umgehen?
Ursachen fürs Beißen
1. Beißen als taktile Sinneserfahrung
Das Kind erlebt die Welt über den Mund. Denn die Schleimhaut gehört zum Taktiken System und alles was das Kind mit dem Mund tut, ist eine taktile Sinneserfahrung.
Dieses alles in den Mund stecken ist ebenso eine taktile Wahrnehmung wie eben auch das Beißen. Gerade bei kleineren Kindern ist das häufig zu beobachten.
Da ist das Zubeißen auch mit ausprobieren verknüpft – genauso wie getestet wird, ob etwas hart oder weich ist, wie es schmeckt, ob man auf dem Rasen hüpfen kann – wird ausprobiert, was passiert, wenn man zubeißt. Gerade bei Kindern, die wenig in den Mund stecken dürfen und überhaupt wenige taktile Erfahrungen machen können, ist diese Phase häufig ausgeprägter.
Ursachenbekämpfung betreibst du, indem du dem Kind die Möglichkeit gibt, häufig nackt (bis auf die Windel) zu sein und so taktile Sinneswahrnehmungen zu machen. Je weniger du reglementierst, wenn das Kind beispielsweise einen Bauklotz in den Mund steckt, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass das Zubeißen innerhalb kürzester Zeit an Reiz verliert.
Gleichzeitig darfst du nah dabei sein, damit du schnell eingreifen kannst, falls das Kind noch mal beißt. Und folgende Parallele darfst du auch immer im Blick behalten: Wir Erwachsenen „knabbern“ häufig gerne an kleinen Kindern.
Du vielleicht nicht, nur wie verhalten sich die Eltern? Ein kleines Kind das beißt, imitiert mitunter nur dieses Verhalten – mit anderer Intensität. Eventuell wäre es bei „Beißkindern“ eine gute Idee, den Eltern diesen Zusammenhang mal bewusst zu machen und dadurch eine Verhaltensänderung zu initiieren.
2. Das Kind weiß keinen anderen Ausweg
Manche Kinder beißen, weil sie keine andere Möglichkeit sehen, für sich selbst einzustehen. Das sind die Kinder, die sich so in die Ecke gedrängt fühlen, dass sie sich mit beißen zu schützen versuchen.
Das passiert im Alltag häufig dann, wenn ihr den Kindern zu lange Zeit gebt, Streitereien selbst zu lösen. Kinder, die zum Beispiel verbal erniedrigt werden oder kein Gehör finden oder sich auf andere Art nicht mehr zu helfen wissen, hauen sie oder beißen zu.
Je häufiger das Kind erlebt hat, dass Zubeißen die Situation klärt, weil du dann einschreitest, desto schneller hat es dieses Verhalten verinnerlicht und gelernt. Was kannst du tun? Entscheide dich, dass du das Miteinander zwischen den Kindern an die erste Stelle stellen willst.
Das bedeutet, du planst deinen Alltag so, dass du Zeit hast, die Kinder VOR dem Streit zu begleiten. Denn was wir immer wieder vergessen: Kinder kosten einfach Zeit.
Und wir können immer wieder neu entscheiden, ob wir diese Zeit positiv oder negativ verbringen wollen. Damit meine ich, wir können entscheiden, ob wir die Kinder beim Aushandeln von Lösungen unterstützen oder beim Klären von Streit.
Das eine tun wir, bevor eine Situation eskaliert, damit das gar nicht mehr passiert. Das andere tun wir, nachdem die Situation eskaliert ist und der Streit in vollem Gange ist.
Stell gerne mal einen Wecker: Meine Erfahrung zeigt eindeutig – keiner der beiden Wege kostet weniger Zeit. Nur erzeugt der erste Weg positive Gefühle und ein friedvolles Miteinander, während der zweite Weg Ärger, Krach und schlechte Laune mit sich bringt.
Also – sei nah dabei. Beachte, wann Kinder keine Lösung mehr finden können. Merkmale dafür sind eine veränderte Tonlage, hektischere Bewegungen, Abbruch des Blickkontakts.
Und schreite dann ein. Höre aktiv zu, paraphrasiere und moderiere die Situation für die Kinder. So lange, bis die Kinder eine Lösung für ihre Situation finden.
Eine Lösung zeichnet sich für mich dadurch aus, dass die Bedürfnisse aller die gleiche Wichtigkeit haben und es keine Mehrheitsentscheidung gibt und kein Überreden. Sondern höchstens ein Nachfragen, wer denn nachgeben könnte.
Dadurch stärkst du jedes einzelne Kind und sorgst dafür, dass die Kinder ein gutes Konfliktmanagement erlernen.
Falls du deinen „Beißer“ in dieser Kategorie siehst, hab ein großes Herz mit ihm! Das ist eine gute Strategie, die das Kind hier benutzt. Weil du spätestens dann hilfst.
Und das Kind nimmt in Kauf geschimpft zu werden, nur um der Situation entkommen zu können. Also muss die Not des Kindes ganz schön groß sein, oder?
3. Das Kind hat „gelernt“, dass es nur dazugehört, wenn es gemein zu anderen ist
Diese Kinder beißen, weil du sie intensiver wahrnimmst, wenn sie beißen. Und sich dadurch zugehörig fühlen und ein Teil der Gemeinschaft sein können. Klingt abstrus – ich weiß! Ist aber so.
Das sind Kinder, die sehr entmutigt sind, über ein sehr geringes Selbstwertgefühl verfügen und beißen, weil sie aufgrund ihrer bisherigen Erfahrungen gelernt haben, dass Beißen eine intensive Reaktion bei dir erzeugt.
Und diese Reaktion tut gut, weil sie – obwohl sie negativ ist – eine emotionale Verbindung erzeugt. Und jeder Mensch braucht diese intensiven emotionalen Verbindungen wie Luft zum Atmen.
Für diese Kinder ist es unendlich bedeutsam, dass du sie nicht verurteilst und dass du nicht emotional reagierst. Denn immer wenn du „sauer/wütend/verletzt“ bist, funktioniert das Verhalten des Kindes im Sinne der Zugehörigkeit. Bleib stattdessen ruhig und sei liebevoll.
Auch oder gerade wenn das Kind beißt und genauso in anderen entspannteren Situationen. Und dann ist es für diese Kinder extrem wichtig, dass du ihnen vertraust, dass du darauf achtest, dass du fair bist.
Du kannst diese Kinder gut „bändigen“ indem du sie zum „Fairness-Engel“ ernennst und dir zum Beispiel von diesem Kind immer wieder die Meinung einholst, ob Lösungen oder Vorgehensweisen fair sind.
Indem du zu dem Kind sagst: „Ich weiß, dass Fairness für dich sehr wichtig ist und ich weiß auch, dass du ein feines Gespür dafür hast – was denkst du denn, ist diese Lösung für alle eine gute Lösung, oder denkst du sie ist unfair?“
So beziehst du das Kind mit ein, gibst ihm eine Aufgabe, hebst es vor den anderen Kindern hoch und in der Folge kann das Kind lernen, sich positiv zugehörig zu fühlen und kann so sein Beißen „verlernen“. Dazu ist es allerdings unabdingbar, dass du wirklich entscheidest nicht mehr zu schimpfen.
Denn jedesmal, wenn du schimpfst funktioniert sozusagen der alte Mechanismus und das Kind erfährt wieder, dass „negatives Verhalten“ mehr Aufmerksamkeit erzeugt als positives.
Als Fazit lässt sich festhalten, dass das Beißen des Kindes nie die „Schuld“ des Kindes ist. Dass das Kind nicht „böse, gestört oder unnormal“ ist. Sondern dass das Kind unerfüllte Bedürfnisse hat.
Und dass wir Erwachsenen dafür da sind, diese unerfüllten Bedürfnisse des Kindes wahrzunehmen und bestmöglich darauf zu reagieren. Und je besser uns das gelingt, desto schneller hört das Kind auf zu beißen.
Hab eine zauberhafte Woche voller Liebe und Leichtigkeit,
dein Gemeckerfrei-Team